“Bitcoin hat doch überhaupt keinen Nutzen!”
“Kriminalität läuft durch Bitcoin komplett aus dem Ruder!”
“Und hat überhaupt mal jemand an die Umwelt gedacht???”
Vielleicht warst auch du schon in Gespräche verwickelt, in denen Bitcoin gnadenlos mit immer denselben Argumenten unter den Bus geworfen wird?
Denn auch mit fortschreitender Adaption von Kryptowährungen halten sich die bösen Mythen über Bitcoin weiterhin wacker.
Anton Werner von der Ausbildungsplattform Crypto Wingmen hat für uns Licht ins Dunkel gebracht und einen unvoreingenommenen Blick unter die Haube der populärsten “Facts” geworfen.
Dabei geht es Anton bewusst nicht darum, in die andere Richtung “Bitcoin-Propaganda” zu machen. Stattdessen stellt er relevante Statistiken, Daten und Prognosen vor und legt dir nahe, dir selbst eine fundierte Meinung zu bilden:
Siehst du die Kritikpunkte als valide oder als ungerechtfertigt an?
#1 Bitcoin hat keinen Use Case und deshalb keinen Wert
Es gibt nur begrenzte Anwendungen für Bitcoin im Vergleich zu traditionellen Währungen. Es ist schwierig, Bitcoin für den täglichen Gebrauch auszugeben und viele Unternehmen und Händler akzeptieren es nicht als Zahlungsmittel. Auch als Wertaufbewahrungsmittel im Stile von Gold kann Bitcoin nicht genutzt werden.
Warum denn eigentlich nicht? Schauen wir uns die Argumente mal an.
Bitcoin ist zu volatil
Hier muss direkt mal gesagt sein: Da haben die Kritiker natürlich recht.
Bitcoin ist extrem volatil.
Was du hier in orange gekennzeichnet allerdings siehst, ist, dass das Ausmaß der Preisschwankungen über die letzten Jahre hinweg zusehends abgenommen hat.
Natürlich ist die Volatilität noch immer da, aber eben bereits deutlich niedriger.
Aber vielleicht fangen wir nochmal etwas weiter vorne an:
Wieso ist Preisstabilität für ein Zahlungsmittel überhaupt so wichtig?
Simpel gesagt: Weil sie Planbarkeit schafft.
Stell dir vor, du gehst in ein Café und zahlst deinen Cappuccino im Wert von 4 Euro mit Bitcoin. Einige Wochen später stellst du fest, dass genau diese Bitcoin mittlerweile einen Gegenwert von 18 Euro haben.
Natürlich kannst du auch andersrum feststellen, dass du entsprechend eines BTC-Kursabfalls nur 1,20 Euro ausgegeben hast. Das wäre für dich zwar erfreulich, aber für deinen Handelspartner (den Café-Betreiber) fatal.
Gerade in der westlichen Welt sind wir es gewohnt, dass wir stabile Zahlungsmittel haben. Denn der Euro und auch der US-Dollar oder der Schweizer Franken gelten als die stabilsten Währungen der Welt.
Doch hier müssen wir auch die andere Perspektive betrachten.
Die Perspektive der Entwicklungs- und Schwellenländer.
Denn dort sind die Währungen nicht ansatzweise so stabil wie wir es in Europa gewohnt sind.
Hier siehst du die Inflationsrate Argentiniens verglichen mit Deutschland. Im Januar 2024 war Argentiniens Inflationsrate 8.700% (!) höher.
Doch auch in der Euro-Zone haben wir in den vergangenen Jahren durch die Auswirkungen der Coronakrise und die Entscheidungspolitik der Zentralbanken einen Vorgeschmack darauf bekommen, was eine deutliche Steigerung der Inflationsrate von unter 2% auf fast 10% mit sich bringt.
Denn ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe das nicht nur in irgendwelchen Finanznachrichten gelesen, sondern wirklich in meinem Alltag anhand von Preiserhöhungen gespürt.
Und das, obwohl es aus der Perspektive eines Argentiniers gesprochen “nur 10%” waren.
Und genau an dieser massiv schlechteren Ausgangslage lässt sich auch erklären, warum Bitcoin in Ländern mit instabiler Währung schon jetzt mit einer deutlich höheren Adaptionsrate auf dem Vormarsch ist.
Im Fall von El Salvador ist die Adaption sogar schon soweit vorangeschritten, dass Bitcoin 2021 als legales Zahlungsmittel vom Staat anerkannt wurde.
Um es zusammenzufassen:
Bitcoin ist als Zahlungsmittel dann zu volatil, wenn es verglichen mit der lokalen Währung eine geringere Preisstabilität aufweist.
Transaktionen sind zu langsam
Auch hier muss ich vorneweg sagen: Auch hier haben die Kritiker erst einmal Recht.
Bitcoin kann im Schnitt etwa 7 Transaktionen pro Sekunde leisten. Der Vergleich mit Visa verdient fast den Namen nicht.
Wir brauchen uns nicht der Illusion hingeben, dass man mit sieben Transaktionen pro Sekunde ein weltweites Zahlungsmittel schaffen kann. Das würde nicht einmal für Berlin-Mitte reichen.
Es ist allerdings wichtig zu verstehen, dass das Bitcoin-Netzwerk absichtlich so langsam ist.
Vielleicht denkst du jetzt:
“Aber Anton…das ist doch total bescheuert. Wieso sollte das absichtlich so langsam sein?!”
Die Antwort: Es muss so langsam sein, um das hohe Maß an Sicherheit bei jeder Transaktion gewährleisten zu können. Denn nur alle 10 Minuten wird ein neuer Block zur Blockchain hinzugefügt und diese 10 Minuten sind notwendig, um den Konsensmechanismus zur Überprüfung der Transaktionen umzusetzen.
Es ist also keine Lösung, die Ankettung neuer Blöcke zu beschleunigen und so mehr Transaktionen pro Sekunde leisten zu können.
Doch es gibt eine Lösung für das Problem. Und sie schlägt auch eine andere Fliege mit derselben Klappe.
Deswegen springen wir erstmal zur nächsten Kritik, bevor es zur gemeinsamen Lösung geht.
Hohe Transaktionsgebühren
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Transaktionsgebühren für den Versand von Bitcoin unglaublich teuer sind.
Und auch da haben die Kritiker per se Recht.
Im Schnitt liegen die Gebühren im einstelligen Euro-Bereich. Aber es können auch mal 50 Euro oder sogar 100 Euro sein in Hochzeiten, wo besonders viele Menschen eine Transaktion durchführen wollen. Und selbst, wenn es “nur” 2 Euro sind: Ich will sicherlich nicht 2 Euro Gebühr für den Kauf eines Kaffees im Wert von 4 Euro zahlen.
Aber ich habe es eben schon erwähnt: Es gibt Wege, um nicht nur die Transaktionsgeschwindigkeit des Bitcoin-Netzwerks unglaublich zu erhöhen, sondern gleichzeitig auch die Transaktionskosten gegen Null zu senken…und als Sahnehäubchen auch nicht die Sicherheit der Blockchain zu gefährden.
Das klingt fast zu gut um wahr zu sein, doch das Zauberwort dafür lautet Layer 2.
Einfach gesagt sind Layer 2s Schichten, die du auf die Blockchain (Layer 1) draufsetzt.
Das bekannteste Beispiel dafür ist das Lightning Netzwerk. Aber mittlerweile gibt es viele andere L2s, die in den Startlöchern stehen.
Du kannst dir das Lightning Netzwerk in etwa so vorstellen wie ein Kreditkarten-System, z.B. Visa.
Bei einer Kreditkarte hast du einen Kreditrahmen und kannst innerhalb eines Monats so viele Transaktionen durchführen wie du willst, solange du den Rahmen nicht überschreitest. Am Ende des Monats wird dann der Gesamtbetrag deiner getätigten Transaktionen von deinem Bankkonto abgebucht.
Beim Lightning Netzwerk funktioniert das so ähnlich.
Du musst nicht darauf warten, dass deine Transaktion vom Netzwerk bestätigt wird.
Stattdessen öffnest du einen Kanal mit deinem Transaktionspartner und ihr nehmt beide die maximale Anzahl an Bitcoin, die ihr schicken wollt und “sperrt diese weg”. Diese Menge an Bitcoin entspricht dann deinem Kreditkartenrahmen, um wieder auf den Vergleich zurückzukommen.
Sobald die Transaktion beendet ist, wird der dafür eröffnete Kanal geschlossen und die Differenz, die ihr euch geschickt habt, wird auf der Bitcoin-Blockchain dokumentiert – also von deinem Konto abgebucht.
Und ist das aber trotzdem sicher?
Ja. Dank der intelligenten Kryptografie des Netzwerks ändert sich an der Sicherheit der Transaktion nichts.
Und wie viele Transaktionen sind pro Sekunde über das Lightning Netzwerk möglich?
Eine Million Transaktionen. Ja, pro Sekunde.
Zur Erinnerung: VISA schafft 24.000, was vor rund 3 Minuten noch deutlich eindrucksvoller klang, oder?
Und die Kosten pro Transaktion im Lightning Netzwerk?
Unter 0,01 Euro pro Transaktion.
Entsprechend wenig überraschend ist, dass die Adaption des Bitcoin Lightning Netzwerks (s. orangefarbene Linie) und anderer L2 voranschreitet
Zusammengefasst:
Layer 2s auf Bitcoin sind eine hervorragende Möglichkeit, die Geschwindigkeit von Transaktionen exorbitant zu erhöhen und gleichzeitig die Kosten gegen Null zu senken.
Also, weiter zum nächsten Punkt
Kein intrinsischer Wert
Wir sind beim wohl schlagkräftigsten Satz angelangt:
“Bitcoin hat keinen intrinsischen Wert!”
Euro, US-Dollar und andere Fiatwährungen haben laut der Kritiker wiederum durchaus einen intrinsischen Wert.
Nun…genaugenommen war das einmal so.
Bis 1973.
Denn bis zur Bretton Woods Konferenz waren die Geldreserven der Welt an die Goldreserven der Welt gekoppelt.
Das ist seitdem aber nicht mehr der Fall, da es auf eben jener Konferenz abgeschafft wurde.
Was das heißt?
Geld hat heute nur noch den Wert, den wir ihm zugestehen.
Währungen, auch der Euro, haben heutzutage keinen intrinsischen Wert mehr.
Der Euro ist in dieser Hinsicht also überhaupt nicht anders als Bitcoin.
Auch als digitales Gold ungeeignet
Kritiker lehnen Bitcoin nicht nur als digitales Geld ab. Auch als digitales Gold sei es ungeeignet.
Warum?
Gold hat eine Jahrtausende alte Historie als Wertaufbewahrungsmittel.
Gold wird seit Jahrhunderten sowohl als Schmuck als auch in der Industrie verwendet.
Genau aufgrund dieser Verwendung hat Gold einen intrinsischen Wert. Und zusätzlich ist es auch noch selten.
Und das trifft so nicht auf Bitcoin zu.
So zumindest die Meinung der Kritiker. Also lass uns auch hier tiefer in diese Argumente reingehen.
Was bestimmt den Wert von Gold, Bitcoin…und eigentlich allem?
Wir haben es alle in der Schule schon gelernt: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.
Das gilt sowohl für Gold als auch für Bitcoin.
Schauen wir uns zuerst einmal die Angebotsseite an.
Was ist das Angebot von Gold?
Es sind die Goldreserven. Diese liegen unter der Erdoberfläche und müssen erst geschürft werden. Das kostet viel Geld, da es große Maschinen und eine Menge an Energie benötigt.
Gleichzeitig sind die Goldreserven nicht nur aufwändig zu schürfen, sondern auch begrenzt. Es kann also nicht endlos Gold gefunden werden.
Und wie sieht das Angebot bei Bitcoin aus?
Tatsächlich sehr ähnlich.
Auch Bitcoin ist begrenzt – es wird nie mehr als 21 Millionen Bitcoins geben.
Und wie kommt man an Bitcoin ran?
Ähnlich wie bei Gold brauche ich dafür Maschinen. Zwar sind es schnelle Computer anstelle von Baggern, aber das Prinzip ist dasselbe.
Und ich brauche viel Energie, genau wie bei Gold.
Du siehst: es gibt klare Parallelen.
Lass uns zur Nachfrageseite wechseln.
Was treibt denn die Nachfrage von Gold?
Gold ist ein werterhaltendes Asset, also ein Wertaufbewahrungsmittel. Menschen investieren also in Gold, weil sie aufgrund der Wertstabilität ihr Geld so sicher “parken” können.
Das gilt auch für Krisen, denn Gold gilt als besonders krisensicher.
Aber das ist nicht der alleinige Nachfragegrund. Denn Gold wird auch in der Industrie verwendet und somit einen kommerziellen Anwendungsfall.
“…und das trifft alles nicht auf Bitcoin zu”, sagen die Kritiker.
Also lass uns das prüfen. Was treibt denn die Nachfrage nach Bitcoin?
Auf der einen Seite gilt auch Bitcoin für viele Menschen als Wertaufbewahrungsmittel.
Und tatsächlich gibt es auch einen kommerziellen Anwendungsfall für Bitcoin! Bis heute ist dieser nicht sonderlich bekannt und wird auch deshalb oftmals unterschätzt.
Wovon ich spreche?
Vom Bitcoin-Netzwerk selbst. Denn die Blockchain ist die sicherste Datenbank der Welt – und theoretisch kann man in die einzelnen Blöcke der Blockchain nicht nur Transaktionen, sondern Unternehmen und Privatpersonen können auch ihre wertvollsten Informationen auf der Blockchain hinterlegen. Und sobald dieses Wissen in der Menge ankommt und adaptiert wird (seit ein paar Monaten wird hier mit “Ordinals” rumexperimentiert), wird auch die Nachfrage nach Bitcoin-Transaktionen steigen.
Was machen wir nun aus diesem Hintergrundwissen zu Gold und Bitcoin?
Der Gesamtwert aller Goldreserven liegt aktuell bei 14.700 Milliarden (!) US-Dollar. Die immerhin 1.400 Milliarden Marktkapitalisierung von Bitcoin sehen da im Vergleich schmächtig aus.
Kann man da ernsthaft schon jetzt behaupten, dass Bitcoin so etwas wie digitales Gold ist, wenn es doch nicht einmal 10% des Gesamtwertes von Gold hat?
Wahrscheinlich nicht.
Aber kann Bitcoin irgendwann mal zu digitalem Gold werden?
Wahrscheinlich schon.
Denn die Voraussetzungen sind gar nicht so schlecht, da es so viele Parallelen zwischen Bitcoin und Gold gibt – auf der Angebotsseite und auch auf der Nachfrageseite.
#2 Bitcoin wird vor allem von Verbrechern genutzt
Kommen wir zum zweiten großen Kritikpunkt.
Laut der Kritiker stellt Bitcoin aufgrund seiner Anonymität das perfekte Zahlungsmittel für kriminelle Geschäfte dar. Das beliebteste Beispiel dafür ist die Schwarzmarkt-Plattform Silk Road, auf der man mit Bitcoin Drogen jeglicher Art kaufen konnte.
Die Realität sieht hier tatsächlich etwas anders aus. Das fängt schon bei der Anonymität an.
Denn Bitcoin ist nicht anonym, sondern bestenfalls pseudo-anonym.
Was das bedeutet?
Bitcoin-Transaktionen sind insofern anonym, dass man sie nicht direkt einer Person zuordnen kann. Das ist schon richtig so. Aber gleichzeitig ist es auch nur anscheinbar anonym, da ja alle Transaktionen auf der Bitcoin-Blockchain öffentlich einsehbar sind.
Und es gibt mittlerweile immer mehr Tools, die diese Transaktionen analysieren und Verbindungen zwischen Bitcoin-Adressen herstellen können, um so Menschen und kriminelle Gruppen zu identifizieren.
Da diese Analyse-Tools immer besser werden, wird es entsprechend auch immer schwieriger für Verbrecher, Transaktionen in Bitcoin abzuwickeln. Und das äußert sich auch in den Statistiken.
Der Anteil illegaler Transaktionen am Gesamtvolumen liegt bei Kryptowährungen in den letzten Jahren im Schnitt bei 1-2 Prozent, Tendenz sinkend.
Du fragst dich, ob das viel ist?
Dafür brauchen wir einen Vergleich, den wir uns von der UNO nehmen. Diese hat ausgewertet, dass etwa 2-5 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes mit Geldwäsche und illegalen Aktivitäten verbunden ist.
Das ist ein Vielfaches der illegalen Aktivitäten auf der Bitcoin-Blockchain.
Die objektive Antwort auf die Kritik ist also:
Nein, Bitcoin wird nicht vornehmlich von Verbechern genutzt. Tatsächlich ist der Anteil krimineller Transaktionen verhältnismäßig niedrig.
#3 Bitcoin ist extrem umweltschädlich
Die Kritiker sagen, dass der Proof of Work Konsensusmechanismus von Bitcoin aufgrund der immensen benötigten Rechenleistung extrem umweltschädlich ist.
Denn der Energieverbrauch des Bitcoin-Netzwerks liegt auf einem Level mit dem Energieverbrauch der Niederlande.
Die Kritiker sind deshalb besorgt, dass mit einer steigenden Adaption des Bitcoin-Netzwerks auch der Energieverbrauch noch weiter in die Höhe schießen wird.
Deshalb wollen Kritiker ein Proof of Work-, also ein Miningverbot, erwirken. Und das wurde auch tatsächlich von der Europäischen Union diskutiert.
Aber lass uns der Frage doch einmal von Beginn an auf den Grund gehen:
Wie umweltschädlich ist Bitcoin wirklich?
Bitcoin ist verantwortlich für etwa 0,05% des weltweiten Energiekonsums.
Das ist nicht viel – und das zeigt sich auch, wenn man den Verbrauch von Bitcoin dem Energieverbrauch anderer Industrien gegenüberstellt.
Tatsächlich ist Bitcoins Energieverbrauch noch unter dem Level der globalen Wäschetrockner-Industrie.
Ja, du hast richtig gelesen: Die Wäschetrockner-Industrie.
Die ist ja nun nicht gerade bekannt als der globale Klimakiller, oder?
Aber natürlich fühlt es sich für mich nicht ausreichend an, den Verbrauch von Bitcoin nur im Vergleich zu bewerten. Denn man kann ja noch immer sagen, dass wir ohne Bitcoin weniger Energie verbrauchen würden.
Aber lass uns dafür wieder zu der Ausgangsfrage zurückgehen:
Wie umweltschädlich ist Bitcoin tatsächlich?
Und um diese Frage wirklich beantworten zu können, müssen wir eigentlich noch tiefer graben und eine andere Frage stellen:
Woher bezieht das Bitcoin-Netzwerk, also die Miner, denn die verbrauchte Energie?
Und da kommt tatsächlich etwas ziemlich Überraschendes heraus.
30% des verbrauchten Stroms kommt schon jetzt aus erneuerbaren Energien – Tendenz weiter steigend.
Aber wie kommt dieser so hohe Prozentsatz zustande?
Um das beantworten zu können, müssen wir die Mining-Branche etwas genauer betrachten.
Denn die Mining-Branche unterscheidet sich von anderen Branchen dadurch, dass der Strompreis der wichtigste Kostenpunkt für das Geschäftsmodell ist.
Je billiger ein Miner seinen Strom beziehen kann, desto profitabler kann er sein. Aus diesen Gründen suchen Miner auf der ganzen Welt nach Ineffizienzen, also nach verschwendeten Energiequellen.
Dabei haben sie einen gewaltigen Vorteil:
Sie sind geografisch nicht eingeschränkt.
Sie brauchen eigentlich nur 2 Sachen: Eine Internetverbindung und eine Energiequelle.
Andere Energieverbraucher wiederum sind darauf beschränkt, Energiequellen in der Nähe einer Zivilisation zu nutzen. Und Energie über lange Strecken in die Zivilisation einzuspeisen, ist aus wirtschaftlichen und strukturellen Gründen nicht immer möglich.
Die Bitcoin Miner können genau die Energie, die sonst niemand nutzen kann, beziehen.
Und genau dieser Trend zur Nutzung andernfalls verschwendeter Energiequellen setzt sich immer weiter fort. Bitcoin Miner schließen sich weltweit zusammen, um gestrandete geothermische Energie, abgefackeltes Methan, Kohleabfälle und sogar recyclete Altreifen zur Energieproduktion zu nutzen.
Lass uns auf zwei dieser Beispiele mal genauer eingehen.
Beispiel 1: Geothermalenergie
Geothermalenergie wird aus der Wärme der Erdkruste gewonnen, in Form von Wasser- und Dampfreservoirs, die durch z.B. heiße Quellen oder Vulkane an die Erdoberfläche gelangen.
Diese Reservoirs sind meistens an sehr abgelegenen Orten, also für den “normalen” Energieverbrauch nicht erreichbar.
Die Miner können dank ihrer geografischen Unabhängigkeit diese Geothermalenergiequellen anzapfen…und das passiert tatsächlich auch schon.
In El Salvador gibt es bereits staatliche geothermische Kraftwerke, die aus Vulkanen Energie schöpfen und für das Bitcoin Mining verwenden.
Schon ein bisschen abgefahren, das gebe ich gerne zu.
Aber das wirklich abgefahrene ist, was für ein Potenzial geothermische Energie hat.
Lass dir diesen Satz mal auf der Zunge zergehen:
Schätzungsweise können 0,1% des Wärmeinhalts unter der Erdkruste den Energiebedarf der Menschheit für 2 Millionen Jahre decken.
Beispiel 2: Flaring
Ein anderes Beispiel ist das Flaring.
Was ist Flaring?
Das ist ein Prozess, der bei der Erdölförderung stattfindet. Denn wenn nach Erdöl gebohrt wird, tritt oftmals Erdgas als Nebenprodukt aus. Und sofern dieser Prozess fernab der Zivilisation stattfindet, dann kann dieses Erdgas nicht über Pipelines zur Nutzung weitergeleitet werden.
Die Konsequenz?
Das Erdgas wird beim Austreten einfach abgefackelt.
Dadurch entsteht Methan – und das ist extrem umweltschädlich.
Wie Bitcoin Miner bei diesem Prozess ins Spiel kommen?
Sie können das Erdgas als Energiequelle für das Mining verwenden.
Vor Ort, ohne Pipelines, Infrastruktur oder sonst ein Zeichen von Zivilisation.
Und wohin kann das führen?
Bis zu 80% des Energiebedarfs des Bitcoin-Netzwerks kann über den Verbrauch dieses Erdgases abgedeckt werden.
Und jetzt das wirklich Verrückte:
Bitcoin kann dadurch sogar klimapositiv werden, da die Treibhausgase aus dem nun nicht mehr nötigen Flaring vermieden werden!
Die große Zusammenfassung
Du hast jetzt die wichtigsten Kritikpunkte an Bitcoin gehört und kannst dir hoffentlich ein eigenes Bild darüber machen, wie nachvollziehbar die Argumente der Kritiker für dich sind.
Ich für meinen Teil muss sagen: Im ersten Schritt sind die Argumente durchaus nachvollziehbar.
Wenn man dann allerdings ein bisschen tiefer bohrt, vermisse ich persönlich auf der einen Seite die Verhältnismäßigkeit und auf der anderen Seite den Bezug zu möglichen Veränderungen. Denn viel zu oft werden Innovationen auf Basis eines Status Quo verurteilt, ohne aber die Zukunftsperspektive und die Potenziale in die Betrachtung mit einfließen zu lassen.
Aber das ist nur meine Meinung. Ich bin gespannt, was du nach diesem Artikel über Bitcoin denkst.
Über Anton und Crypto Wingmen
Anton ist Co-Founder & Managing Director bei Fountainhead Digital und einer der 4 Wingmen, die im Crypto Wingmen Ausbildunsprogramm Wissen und Praxis an Krypto-Neulinge weitergeben, damit diese selbst strategisch am Markt aktiv werden können. Das Programm setzt nicht nur auf ein innovatives Lernkonzept mit Lerngruppen und wöchentlichen Q&A Live Calls, sondern bietet mit der Crypto Wingmen Community auch Zugang zu einem deutschsprachigen Netzwerk aus Absolventen, in dem Gleichgesinnte kontinuierlich weiter voneinander lernen können.